Fohlenmedizin

Fohlenmedizin

Neuer Familienzuwachs

Neugeborene Fohlen sind normalerweise sehr schnell auf den Beinen und brauchen nicht lange um das Euter der Mutter zu finden und die erste Nahrung, die sogenannte Kolostralmilch (Kolostrum, Biestmilch), und damit die für sie lebenswichtigen Antikörper und Energie aufzunehmen. Außerdem sollten sie innerhalb der ersten 2 Lebensstunden Kot absetzen, das sogenannte Darmpech. Geschieht dies nicht, kann es schnell zu einer schweren Kolik führen aber u.A. auch ein Hinweis auf angeborene Anomalien im Verdauungstrakt sein, die zwar selten, aber durchaus vorkommen können und sehr schmerzhaft sind. Erfahrene Züchter können diesen Vorgang etwas beschleunigen und dem Fohlen vorsichtig(!) ein Klistier zum leichteren „Flutschen“ eingeben. Der erste Harnabsatz sollte ebenfalls beobachtet werden, um sicher zu gehen, dass im neuen Organismus alles richtig funktioniert.

Nimmt das neugeborene Fohlen keine oder zu wenig Kolostrum auf (z.B. kein Saugreflex, Nichtauffinden des Euters, Unvermögen aufzustehen oder länger stehen zu bleiben, allgemeine Reflexlosigkeit usw.), sollte ein Züchter nicht lange überlegen und entweder schnell seinen Haustierarzt hinzuziehen oder sofort den Weg zu uns in die Klinik suchen, um den Antikörpertiter des Fohlens bestimmen zulassen. Dieser wird mit Hilfe eines Blut-Schnelltests als Nachweis des Immunstatus und der tatsächlich vorhandenen Abwehrstoffe ermittelt. Ist dieser Wert zu niedrig, besteht für das Fohlen ein sehr großes Risiko lebensgefährlich zu erkranken. Falls nach einigen Stunden oder auch noch Tage nach der Geburt festgestellt wird, dass ein Fohlen an Vitalität und Lebensfreude verliert, z.B. ungern aufsteht, nicht mehr säuft, apathisch wirkt, Durchfall, Kolik, Atemprobleme, Fieber oder Untertemperatur bekommt, so kann schnelles Handeln lebensrettend sein! Unsere Fohlenintensivstation ist jedes Jahr in der Zeit von Ende Dezember bis ca. Anfang Juli für diese Fälle in höchster Alarmbereitschaft. Hier können lebensschwache, festliegende Fohlen sehr gut betreut und behandelt werden, denn sie umfasst neben einer 24h-Non-Stop-Überwachung und –versorgung eine Sauerstoff-Flasche, Wärmeflaschen, Wärmestrahler, Fohlendecken in allen Größen, gefrorenes IgG-Serum, Fohlen-Kolostrum und Fohlen-Milch und und und.

Gelingt es uns einem schwachen Fohlen so zu helfen, dass es mit seiner Mama wieder nach Hause entlassen werden kann, vergessen wir nur zu gern die vielen Stunden und Nächte, die wir auf der Notfallstation mit ihm zusammen verbracht haben, um ihm bei seinem Überlebenskampf zu unterstützen.

Unsere Fohlenintensivstation: Großtiermedizin bei den ganz Kleinen

Für ein abwehrschwaches Neugeborenes ist es äußerst wichtig möglichst schnell viele Abwehrstoffe und Energie aufzunehmen. Ist dies mit abgemolkener Muttermilch nicht möglich, so hält unsere Fohlenintensivstation eingefrorenes mit vielen IgGs (Antikörpern) angereichertes Plasma bereit, das frisch für die laufende Fohlensaison hergestellt wird. Dieses wird den kleinen Patienten körperwarm durch einen venösen Zugang zugeführt. Die extra für die Fohlen angefertigten Venenkatheter sind so beschaffen, dass sie längere Zeit in der Vene verbleiben können.

Mit einem Bluttest, der in 7Minuten durchführbar ist, kann der IgG-Gehalt im Blut des Fohlens kontrolliert werden (frühestens allerdings nach ca. 14h).

Ein großes Blutbild, sowie Sauerstoff- und Kohlendioxidwerte im Blut können mit Hilfe des klinikeigenen Labors schnell ermittelt werden. Bei lebensschwachen, erkrankten Fohlen, besonders bei Neugeborenen, sollte sehr schnell herausgefunden werden, ob Abweichungen im Blutbild vorhanden sind. Beispielsweise bei zu niedrigen Sauerstoffwerten im Blut kann sofort Sauerstoff ersetzt werden und es erfolgen schnell weiterführende Untersuchungen, um die Ursache zu diagnostizieren. Eventuell angeborene oder erworbene Probleme in den Atemwegen können z.B. mit einem extra kleinen Fohlenendoskop festgestellt werden.

Bei zu hohen Nierenwerten sollten harnableitende Wege und die Blase untersucht werden. Blase und Nieren können gut per Ultraschall dargestellt werden. Sollte hierbei z.B. festgestellt werden, dass die Blase gerissen ist, muss das Fohlen sofort operiert werden, um die sie wieder zu verschließen.

Wir hoffen, dass wir mit Hilfe dieser Maßnahmen jedem noch so kleinen Patienten die Chance auf ein langes gesundes Leben ermöglichen können!

Ein doppeltes Wunder

Doch lässt man mal alle erdenklichen Risiken und mögliche Krankheiten außer Acht und fügt stattdessen noch eine Riesenportion Glück hinzu, dann kann es sogar passieren, dass man die Seltenheit einer Zwillingsgeburt miterleben darf. So geschah es auch unserem Klinikteam vor 2007 als wir zwei gesunde süße Fohlen zur Welt brachten und sie ebenso gesund nach Hause entlassen konnten. Bei tausenden Patienten pro Jahr gerät so etwas Besonderes nie in Vergessenheit! 

Schief – schiefer – Fohlenbeinchen

Leider können auch nach den intensiven ersten Tagen und Wochen weitere Erkrankungen auftreten, wie zum Beispiel Fehlstellungen, die teilweise, in Zusammenarbeit mit unserem Hufschmied, konservativ zu beheben sind. Viele Stellungsanomalien können sich auf natürlichem Weg wieder „auswachsen“, wie zum Beispiel eine sehr weiche Fesselung, meist an den Hinterbeinen, bei neugeborenen Fohlen. Das beste „Heilmittel“ hierfür ist eine kinderfreundliche Bewegung auf festem Boden. Eine sehr weiche, zu tief eingestreute Box ohne großen Auslauf zum Rumtoben provoziert manchmal sogar eine Fehlstellung. Doch gerade in den ganz jungen Wochen kann man als Züchter sehr viel durch artgerechte Haltung bewirken! Sollte sich trotz allem keine schnelle Besserung einstellen, zieht bitte Euren Tierarzt zu Rate. Er wird beurteilen, ob der Hufschmied oder gar der Chirurg eingreifen muss, denn Bockhufe oder krumme Gelenke könnten erhebliche Einschränkungen für einen gesunden Bewegungsapparat nach sich ziehen und im schlimmsten Fall später eine erfolgreiche Sportler-Karriere verhindern. Je jünger der Patient ist, desto weicher und flexibler sind seine Bänder und Sehnen bevor mit steigendem Alter auch die Größe und vor allem das Gewicht des Pferdes eine nachhaltige Korrektur immer schwieriger macht.